Raumsonde: Erkundung von Planeten und Monden

Raumsonde: Erkundung von Planeten und Monden
Raumsonde: Erkundung von Planeten und Monden
 
Die Raumfahrttechnologie bot auch Astronomen neue Chancen, ihre wichtigsten Studienobjekte Mond und Planeten aus der Nähe zu erforschen. Mit der Verfügbarkeit starker Raketen werden seit den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts Roboter zum Mond, zu nahe liegenden und zu den weiter entfernten Planeten entsandt. Sowohl Amerikaner als auch Russen haben mit ihren immer leistungsfähigeren Sonden und Instrumenten diese fernen Geschwister der Erde im Sonnensystem erkundet, ihre feste Oberfläche oder Gashülle, ihre Monde und Ringsysteme sowie die Magnetfelder und Strahlengürtel.
 
Inzwischen verfügen wir über eindrucksvolle Nahaufnahmen und andere Messergebnisse von Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun. Nur zum am weitesten entfernten Planeten Pluto ist bisher noch keine Raumsonde vorgedrungen. Diese Variante der Raumfahrt bringt zwar keinen in Euro, Dollar oder Rubel zu messenden Nutzen, aber dafür großen Erkenntnisgewinn über Himmelskörper, die wir im Fernrohr nur als kleine verschwommene Lichtpunkte sehen können. Doch diese Erweiterung unseres kosmischen Horizonts ändert auf längere Zeit die Sichtweise, wie wir uns und unsere Umwelt im Kosmos betrachten.
 
Auch in Zukunft werden solche Raumsondenmissionen stattfinden. Nach den schnellen Vorbeiflügen werden jetzt verstärkt Orbiter gestartet, die in eine Umlaufbahn um den jeweiligen Planeten einschwenken und ihn jahrelang sehr intensiv erforschen können. Auch Europa und Japan starteten inzwischen Mond- und Planetensonden, die ESA und speziell Deutschland haben sich sehr erfolgreich an mehreren amerikanischen Missionen beteiligt. Noch immer läuft die 1990 gestartete und wissenschaftlich sehr ergiebige Galileo-Mission bei dem Planeten Jupiter und seinen vier großen Monden, an der auch Experten des »Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt« in Berlin direkt teilnehmen.
 
 Die neuen amerikanischen Marssonden
 
Sowohl die NASA als auch die Sowjets haben vor vielen Jahren ihre ersten Planetensonden zum Mars entsandt, dem äußeren Nachbarn der Erde im Sonnensystem. Den Höhepunkt bei diesem »Wettlauf« bildeten damals die beiden amerikanischen Viking-Sonden, die mit zwei Orbitern den Planeten mit hoher Schärfe aufnahmen und mit zwei Landekapseln seine Oberfläche direkt aus der Nähe erforschten. Aber Lebensspuren haben die ausgeklügelten Instrumente der Viking-Landestationen in der kalten Steinwüste nicht gefunden.
 
Große Aufmerksamkeit fand die »Mars Pathfinder«-Mission Mitte 1997, als die NASA nach 20 Jahren »Sendepause« wieder eine Landekapsel auf die Marsoberfläche schickte, die sogar einen kleinen Rover dort freisetzte. Wochenlang berichteten die Medien über die Entdeckungsreise des kleinen Forschungsfahrzeugs auf dem Mars. Daran beteiligt waren auch Wissenschaftler des »Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt« sowie der Max-Planck-Gesellschaft: Sie trugen mit dem Bau der Kamera und des chemischen Messsensors zum Gelingen dieser viel beachteten Mars-Mission bei. Außerdem liefert die Orbitersonde »Global Surveyor« hervorragende Nahaufnahmen der Marslandschaft, die noch fünf Meter kleine Felsbrocken zeigen.
 
Kürzlich haben die Amerikaner wieder mehrere neue Marsroboter auf den Weg gebracht, die ähnliche Aufgaben wahrnehmen sollen wie die Vorgänger. Das Hauptziel nahezu aller Missionen ist, zu erkunden, ob es auf dem Mars Wasser in Form von Eis gibt. Sollte es tatsächlich Wasser geben, wäre dies die Grundlage für eine spätere bemannte Marsstation. Außerdem sollen alle Roboter nach Spuren von zyklischen Klimaänderungen auf dem Roten Planeten suchen. Zwei Missionen schlugen bisher fehl: Eine Sonde, der »Mars Climate Orbiter«, ging der Bodenkontrolle verloren, weil die beteiligten Wissenschaftler mit unterschiedlichen Maßeinheiten gerechnet hatten. Die einen hatten das metrische System verwendet, die anderen hatten an dem in den USA noch verwendeten »inch« fest gehalten. Eine andere Sonde, der »Mars Polar Lander« gelangte zwar erfolgreich zum Mars, ging jedoch während des Landeanflugs verloren. Ursache war möglicherweise ein Sandsturm. Solche Stürme erreichen auf Mars Geschwindigkeiten bis zu 400 Kilometer pro Stunde. Mit großer Spannung warten nun alle Experten auf die Ergebnisse der Mission »Mars Surveyor 2001 Lander«. Die Sonde soll im April 2001 starten und im Januar 2002 landen. Wahrscheinlich wird der Lander über einen Rover verfügen, der ferngesteuert einzelne Ziele auf der Marsoberfläche anfahren soll. Der Lander selbst ist wieder mit Sonnenzellenflächen zur Energieversorgung sowie mit Analysegeräten ausgerüstet. Ein Schaufelarm wird Marssand in die Analysebox füllen, ähnlich wie damals bei den Viking-Laboratorien. Geht alles nach Plan, wollen die Wissenschaftler sogar einen Versuch unternehmen, mit den Gasen in der Marsatmosphäre Raketentreibstoff zu produzieren.
 
 Mit Cassini und Huygens zu Saturn und Titan
 
Die nächste große amerikanische Planetenmission mit der Bezeichnung Cassini wurde am 15.10.97 gestartet und führt im Jahr 2004 zum Saturn. Mit an Bord ist die europäische Huygens-Landekapsel, die auf Titan niedergehen soll, dem mit 5150 Kilometer Durchmesser größten Mond, den eine Stickstoffatmosphäre umgibt. Saturn ist mit 121000 Kilometern Ausdehnung der zweitgrößte Planet im Sonnensystem, er ist 1,4 Milliarden Kilometer vom Zentralgestirn entfernt. Das interessanteste Phänomen ist das Ringsystem mit 280000 Kilometer Durchmesser, das aus vielen Tausend Materiestreifen besteht.
 
Das Aussehen der neuen, 7 Meter hohen Cassini-Raumsonde wird von der fast 4 Meter großen Parabolantenne dominiert, die der Funkverbindung mit der Erde und der Radarabtastung der Titan-Oberfläche dient. Unter der von Italien gebauten großen »Schüssel« befindet sich der zylindrische Zentralkörper mit dem großen Treibstofftank und den wissenschaftlichen Sensoren sowie den bei Umweltschützern umstrittenen »Atombatterien« zur Stromversorgung mit 630 Watt Leistung zu Beginn der Mission. Mit der Huygens-Landekapsel wog die Cassini-Raumsonde beim Start mit einer Titan-Centaur-Rakete von Florida aus beachtliche 5,6 Tonnen, so viel wie kaum eine amerikanische oder russische Raumsonde zuvor.
 
Wichtigstes Instrument an Bord der Cassini-Raumsonde ist sicher die CCD-Kamera mit zwei Objektiven von 25 und 200 Zentimeter Brennweite, also mit einem Weitwinkel- und Teleobjektiv. Spezielle Filter dienen der Aufnahme von Farbbildern bis in den ultravioletten und infraroten Spektralbereich hinein. Insgesamt trägt die Raumsonde etwa ein Dutzend Instrumente, um den Gasplaneten, sein Ringsystem, den großen Mond Titan sowie etwa 20 kleinere Trabanten mit 250 bis 1500 Kilometer Durchmesser zu erforschen. Auf der umfangreichen Experimentenliste der Wissenschaftler für Cassini steht außerdem die detaillierte Erkundung des Magnetfelds sowie des Strahlengürtels von Saturn.
 
Mit besonderem Interesse warten die Astronomen auf die Bilder und Informationen, die die europäische Huygens-Kapsel bei ihrer Landung auf dem Mond Titan gewinnen soll. Die Huygens-Kapsel hat die Form einer »fliegenden Untertasse« von 2,8 Meter Durchmesser und wiegt 350 Kilogramm. Ein großes Schild schützt die sechs wissenschaftlichen Instrumente beim Eindringen in die Titanatmosphäre vor der enormen Hitze. Dann entfalten sich zwei Fallschirme, an denen die Sonde langsam zur Titanoberfläche sinkt, während laufend Bilder aufgenommen und die chemischen und physikalischen Verhältnisse in der Atmosphäre des Mondes analysiert werden. Titan ist mit 5150 Kilometern Durchmesser fast so groß wie Mars. Für Astronomen ist er vor allem wegen der dichten Stickstoffatmosphäre so interessant. Da dieses Gas auch in der Erdatmosphäre vorherrscht, glauben sie, in dem Saturnmond einen kleinen »Bruder« der Erde gefunden zu haben. Allerdings ist es auf Titan wegen der großen Distanz zur Sonne mit —180 Grad Celsius viel zu kalt, als dass sich dort im Lauf der Jahrmilliarden eventuell Leben entwickelt haben könnte.
 
Die Flugbahn der Cassini-Huygens-Kombination ist recht kompliziert, weil die schwere Raumsonde nicht direkt hinaus ins äußere Planetensystem beschleunigt werden konnte. Nur mit zwei Vorbeiflügen an der Venus und einer Erdpassage kann die Raumsonde wie bei einer Art interplanetarem Billard die nötige Geschwindigkeit von 12 Kilometern je Sekunde erreichen, die zum Erreichen des Saturn im äußeren Planetensystem erforderlich ist. Einen letzten Impuls erhält Cassini bei der Jupiterpassage Ende 2000. Dann steuert die Sonde in einem weiten Bogen den Saturn an.
 
Erst Mitte des Jahres 2004 erreicht die Cassini-Huygens-Kombination den Ringplaneten und schwenkt nach der Zündung des großen Bremstriebwerks in eine lang gezogene, elliptische Bahn um Saturn ein. Einige Wochen später wird die Huygens-Sonde von Cassini abgetrennt und gezielt in Richtung Titan gelenkt, in dessen Atmosphäre sie eindringt und abgebremst wird, bis sie am Fallschirm auf der Oberfläche landen kann. Die »Muttersonde« Cassini wird in den folgenden vier Jahren durch gezielte Vorbeiflüge an Titan in immer neue Umlaufbahnen gelenkt, die den Instrumententräger regelmäßig an dem Ringplaneten und oft auch an einem der kleineren Saturnmonde vorbeiführen.
 
Das Cassini-Huygens-Projekt ist der letzte große »Dinosaurier« der amerikanischen Planetenforschung, die Kosten von etwa 3 Milliarden Dollar entsprechen den Größen- und Gewichtsdimensionen der Raumsonde und dem Umfang des technischen, wissenschaftlichen und organisatorischen Aufwandes, der für den Erfolg der Mission erforderlich ist. In Zukunft will die NASA jedoch nur noch kleine Raumsonden zur Erforschung des Mondes, der Planeten, von Asteroiden und Kometen starten. Nach den gescheiterten Marsmissionen mit Raumsonden, die nach dem Grundsatz »faster, cheaper, better« gebaut wurden, ist diese neue Raumfahrtstrategie der Amerikaner jedoch heftig umstritten.
 
 Leben auf dem Jupitermond?
 
Europa, Jupiters viertgrößter Trabant, hat auf der Projektliste der amerikanischen Raumfahrtorganisation eine hohe Priorität, seit die Bilder der Raumsonde Galileo Strukturen auf seiner Oberfläche zeigen, die Eisbergen gleichen. Wissenschaftler schätzen, dass die Eisschicht nur einen Kilometer dick ist. Darunter könnte sich Wasser verbergen. In diesen verborgenen Ozeanen könnte sich sogar — so die Hoffnung — Leben entwickelt haben. Die NASA-Forscher verweisen dabei auf Lebensformen auf der Erde, die sich extremen Umweltbedingungen etwa in der Tiefe, in heißen Quellen oder in der Kälte der Antarktis angepasst haben. Zunächst soll die Mission Europa-Orbiter mit einem speziellen Radarinstrument klären, ob sich unter den von Galileo beobachteten Eisstrukturen dieses Mondes tatsächlich Wasser verbirgt. Ist dies der Fall, würde das Jet Propulsion Laboratory der NASA in einem zweiten Schritt ferngelenkte Roboter zu diesem Jupitermond entsenden, die sich durch das Eis hindurch schmelzen und so die verborgenen Ozeane erkunden würden. Dieser Robotertyp, der weitgehend unabhängig arbeiten würde, soll im Wostoksee, einem subglazialen See unter der Eisdecke der Antarktis getestet werden.
 
 Raumsonde zum Planeten Pluto
 
Der 1930 entdeckte äußere Wandelstern Pluto wurde erst ab 1978 gründlicher untersucht, nachdem auf Fotos dessen kleiner Mond erkannt wurde. Eine damit ermöglichte realistische Massenbestimmung ließ auch eine neue Durchmesserbestimmung zu, die 2400 Kilometer für Pluto und 1200 Kilometer für seinen Begleiter Charon ergab. Die beiden Körper sind etwa 20000 Kilometer voneinander entfernt. Die Drehung Plutos um die eigene Achse dauert mit 6,4 Tagen ebenso lang, wie ihn sein Mond umkreist — sie sind also durch eine »gebundene« Rotation miteinander verbunden. Der Doppelplanet umkreist die Sonne auf einer elliptischen Bahn mit 4,4 bis 7,1 Milliarden Kilometer Abstand alle 250 Jahre einmal.
 
Trotz der schrumpfenden Finanzen für die Raumfahrt scheint der Zeitpunkt für eine Plutomission inzwischen gekommen. Schließlich ist dies der einzige Planet unseres Sonnensystems, der bisher noch nicht von einer Raumsonde aus der Nähe erforscht wurde. Schon vor zehn Jahren begannen erste Planungen für eine Pluto-Raumsonde beim »Jet Propulsion Laboratory«, dem Planetenforschungszentrum der NASA bei Los Angeles. Aber sämtliche Entwürfe erwiesen sich als zu groß und zu schwer, wollte man nicht 20 oder 30 Jahre Flugzeit in Kauf nehmen, wenn man mit den gängigen Raketentypen starten will. Inzwischen haben die Konstrukteure eine nur 150 Kilogramm schwere Pluto-Raumsonde entworfen, die beim Start mit einer amerikanischen Titan-4-Rakete in etwa zwölf Jahren zu dem fernen Planeten gelangen könnte.
 
Im Rahmen des NASA-Projekts »Fire and Ice« soll die Mission zusammen mit einer Sonnensonde und einem Flug zum Jupitermond Europa in den Jahren 2003 oder 2004 gestartet werden. Vielleicht beteiligen sich auch Russland oder Europa an diesem Projekt, indem sie eine Proton- oder Ariane-5-Rakete für den Start bereitstellen.
 
Die Plutosonde gilt als Paradebeispiel für die neue NASA-Philosophie des »faster, cheaper, better«. Die strengen Gewichtsbeschränkungen erfordern eine ganz neue Art von Raumsonden mit superleichten, höchst leistungsfähigen Messgeräten. Experten sprechen nicht mehr von einer Raumsonde im herkömmlichen Sinn, sondern von einem »Science Craft«, einem Wissenschaftsfahrzeug. Das Aussehen des neuen Instrumententrägers bestimmt eine 1,5 Meter große Funkantenne, welche die Datenverbindung mit der Erde übernimmt. Darunter liegt der eckig-flache Zentralkörper mit allen wichtigen Betriebssystemen, bewegliche Teile fehlen jedoch. Das größte und schwerste Konstruktionsteil der Sonde ist der Plutoniumgenerator, der gegen Ende der Mission 65 Watt elektrische Leistung liefern soll. Insgesamt stehen nur 8 Kilogramm des Gesamtgewichts und rund 10 Prozent des Energieaufkommens für die vier wissenschaftlichen Sensoren zur Verfügung.
 
Das wichtigste Messgerät ist die kleine Elektronikkamera, die nur wenige Hundert Gramm wiegt und deren CCD-Chip die aufgenommenen Motive mit 1024 Zeilen zu ebenso vielen Bildpunkten abtastet. Die scharfe Optik soll die geologischen Strukturen auf dem fernen Eisplaneten und seinem kleineren Mond erfassen. Das zweite Instrument an Bord der Raumsonde ist ein Infrarot-Spektrometer, das Auskunft über die chemische Beschaffenheit der Oberflächen von Pluto und Charon gibt. Der dritte Sensor ist ein Ultraviolett-Spektrometer zur Untersuchung der dünnen Gashülle von Pluto. Ein weiteres Experiment soll die Veränderung der Funksignale durch die Atmosphäre registrieren.
 
Sämtliche von diesen Instrumenten bei der Passage von Pluto und Charon aufgezeichneten Informationen werden zunächst digital gespeichert und erst später mit der recht geringen Datenrate von 40 Bit je Sekunde zur Erde übertragen. Dort werden sie von den drei in Kalifornien, Spanien und Australien stationierten, 70 Meter großen Funkantennen des »Deep Space Network« der NASA aufgefangen. Die Übermittlung der insgesamt etwa 400 Megabit umfassenden Daten wird bis zu 100 Tage dauern.
 
 Europas Rosetta-Kometensonde
 
Die europäische Raumfahrtorganisation ESA hatte sich frühzeitig entschlossen, bei der Rückkehr des wohl bekanntesten Kometen Halley im Frühjahr 1986 eine Raumsonde zu diesem geheimnisvollen Schweifstern zu entsenden. Von der Erde aus konnte man jahrtausendelang immer nur eine riesige Staub- und Gashülle erkennen, wenn dieser Himmelskörper bei seinen Umkreisungen der Sonne alle 76 Jahre in das Innere des Planetensystems zurückkehrte. Nun konnten erstmals Raumsonden den Kern von Halley aufspüren und näher untersuchen. Neben der europäischen Giotto-Sonde wurden damals auch eine japanische und zwei russische Raumsonden zu Halley entsandt, die Bilder von dem nur wenige Kilometer großen Kometenkern und viele andere interessante Daten lieferten.
 
Nun will die ESA in einigen Jahren eine neue Kometensonde starten — diesmal einen größeren, besser ausgerüsteten Instrumententräger, der sogar eine Landekapsel mitführt. Ziel ist der Komet Wirtanen, der nur wenige Kilometer groß ist. In 600 Millionen Kilometern Entfernung umkreist er alle 5,35 Jahre einmal die Sonne. Der Komet ist auch in Sonnennähe nur wenig aktiv. Dies ist jedoch Voraussetzung dafür, dass eine Raumsonde bis auf wenige Kilometer an ihn herankommen kann, um ihn zu erforschen.
 
Das Projekt erhielt den Namen Rosetta nach dem bekannten, mit Schriftzeichen übersäten Stein, der dem Franzosen Champollion die Entschlüsselung der ägyptischen Hieroglyphen ermöglichte. Der ursprüngliche Plan, dass die Raumsonde Kometenmaterie zur Erde zurückbringt, wurde aufgegeben. Eine solche Mission ist technisch sehr aufwendig und der ESA zu teuer. Die konstruktive Grundlage der Rosetta-Kometensonde bildet die Eurostar-Plattform der französischen Firma »Matra Marconi Space«, die sich bisher bei zahlreichen Kommunikationssatelliten für den geostationären Erdorbit bewährt hat. Die Raumsonde ist modular aufgebaut mit einem großen würfelförmigen Zentralkörper, der Antennenplattform, der Nutzlastsektion und den beiden großen Solarzellenpaddeln zur Energieversorgung. Den Mittelpunkt der Konstruktion bildet das Antriebsmodul mit dem großen Treibstoffvorrat und dem Triebwerk für die geplanten Kurskorrekturmanöver. Hier wird auch die Lageregelung während des langen Transferfluges und das Rendezvous mit dem Kometen gesteuert. Das Startgewicht liegt bei 2,5 Tonnen.
 
Rosetta ist die erste Raumsonde, die mit Solarzellen als Energiequelle weit hinaus ins äußere Planetensystem gelangen soll, wo das Sonnenlicht rasch schwächer wird. Die Amerikaner haben alle ihre Planetensonden für diese fernen Regionen mit »Atombatterien« ausgerüstet, die Radioaktivität von Plutonium in elektrische Energie umwandeln. Da Europa über solche RTG-Elemente nicht verfügt, fiel die Entscheidung für einen neuen, sehr effektiven Typ von Sonnenzellen, die auf zwei großen ausfaltbaren Paneelen montiert werden und einen größeren Teil der Strahlung in elektrische Leistung umsetzen. Die beiden Solargeneratoren haben zusammen eine Fläche von 48 Quadratmetern und entwickeln in 800 Millionen Kilometern Entfernung von der Sonne noch 470 Watt elektrische Leistung.
 
Rosetta und der integrierte kleine Lander, der auf dem Kometen niedergehen wird, sollen im Jahr 2003 mit einer europäischen Ariane-5-Rakete von Kourou, Französisch-Guayana, aus gestartet werden. Aber erst nach Vorbeiflügen an Mars nach einem Jahr und an der Erde nach weiteren zwei Jahren erzielt die Raumsonde die nötige Geschwindigkeit, um den Kometen zu erreichen. Im Jahr 2007 könnte die Raumsonde den Asteroiden Brita passieren, danach vielleicht noch zwei, drei andere solcher Körper, die auf dem Weg liegen. In den langen Zwischenzeiten von einem zum anderen Vorbeiflug wird die Raumsonde in eine Art »Winterschlaf« versetzt, um die Apparaturen zu schonen und das Bodenpersonal so klein wie möglich zu halten. Erst im Jahr 2010 wird Rosetta bei Wirtanen eintreffen und mit allen Systemen und Sensoren aktiviert, um den zu dieser Zeit rund 630 Millionen Kilometer von der Erde entfernten Kometen gründlich zu erforschen.
 
Die europäische Kometensonde soll dann in eine Umlaufbahn mit etwa 12 bis 60 Kilometern Abstand um den geheimnisvollen Himmelskörper einschwenken und ihn längere Zeit auf seiner Bahn um die Sonne begleiten. Dabei wird der Komet mit allen Sensoren genau untersucht und die Veränderungen werden registriert, die bei der Annäherung an die Sonne und bei der allmählichen Erwärmung des Eisbrockens auftreten. Dann löst sich der Landekörper von Rosetta und landet auf dem vielleicht 5 Kilometer großen Himmelskörper. Dabei muss sich der Instrumententräger mit einem kleinen Anker »festkrallen« — sonst würde er wieder abprallen, weil der Kometenkern keine Anziehungskraft besitzt.
 
Fast ein Jahr lang soll die Raumsonde den Kometen Wirtanen auf seinem Weg ins innere Planetensystem begleiten. Kommt er schließlich der Sonne näher, wird die Raumsonde Ende 2012 wahrscheinlich zerstört. Die dabei auftretenden physikalischen und chemischen Vorgänge werden jedoch von den Astrophysikern mit großer Spannung erwartet: Sie zu untersuchen ist das eigentliche Forschungsziel von Rosetta. Etwa 8,5 Jahre nach dem Start dürfte die Mission dann endgültig beendet sein. Der vorläufige Zeitplan sieht folgende Schritte zur Realisierung der Rosetta-Mission vor: Bis Mitte des Jahres 2000 könnte ein Qualifikations- und Ingenieurmodell fertig gestellt sein, das dann im Technologiezentrum ESTEC der europäischen Raumfahrtorganisation in Holland auf Herz und Nieren geprüft wird. Mitte 2002 erwartet man das fertige Flugmodell, das nach weiteren gründlichen Tests Mitte 2003 mit einer Ariane-5-Rakete auf seine lange Reise gebracht werden soll.
 
 
Teleskopsatelliten gelten neben den Planetensonden als weitere viel versprechende astronomische Raumfahrtprojekte. Sie werden in eine Umlaufbahn um die Erde geschossen, wo sie über der störenden Atmosphäre alle Bereiche des elektromagnetischen Spektrums erfassen können. Bisher dominierten bei diesem Satellitentyp Amerikaner und Russen. Inzwischen starten auch Japaner und Europäer Satellitenprojekte, die den Wissenschaftlern neue Erkenntnisse über die exotischen Objekte und Vorgänge im unendlichen Universum vermitteln.
 
Die vorläufig aktuellsten Ergebnisse erwarten die Astronomen von zwei Röntgensatelliten, die beide 10 Meter lang sind und jeweils etwa 4 Tonnen wiegen. Sie sollen Zehntausende kosmische Objekte in diesem Spektralbereich entdecken und genauer untersuchen. Der amerikanische Chandra — genannt nach einem indischen Mathematiker — wurde am 23. Juli 1999 mit dem Spaceshuttle gestartet und soll in der stark elliptischen Umlaufbahn während seiner zehnjährigen Betriebszeit etwa 30000 Bilder und Spektren von Röntgenquellen aufnehmen. Der europäische XMM-Satellit folgte mit einer Ariane-5-Rakete und soll mit neuen Sensoren auch farbige »Großaufnahmen« der vielen Röntgenquellen im weiten Weltall liefern.
 
Der zweifellos erfolgreichste Astronomiesatellit ist das amerikanische »Hubble Space Telescope«. Das 1990 gestartete Instrument liefert mit seinem 2,3 Meter großen Hauptspiegel sehr scharfe Abbildungen von Planeten, Sternen und Galaxien sowie einen bisher einmaligen Blick in die Weiten des Universums. Rechnet man die Lichtgeschwindigkeit ein, erlaubt er einen Blick in die Vergangenheit des Universums fast bis zurück zum Urknall vor etwa 15 Milliarden Jahren. Auch Europa beteiligt sich mit 15 Prozent der Kosten und Beobachtungen an dem HST-Projekt, beispielsweise lieferte die ESA die beiden Solargeneratoren und den Spezialsensor »Faint Object Camera«. Das Ergebnis des Hubble-Raumteleskops: etwa 150000 Einzelbeobachtungen von 10000 astronomischen Objekten.
 
Voraussetzung für diesen grandiosen Erfolg waren die Korrektur des defekt geschliffenen Hauptspiegels und die Wartung des Orbit-Instruments bei zwei Shuttle-Missionen in den folgenden Jahren. Dabei wechselten Astronauten bei mehreren schwierigen Außenbordmanövern defekte Systeme aus und installierten neue, noch leistungsfähigere Sensoren im Brennpunkt des Instruments. Hubble bleibt möglicherweise bis zum Jahr 2005 in Betrieb. Aber schon gibt es bei der amerikanischen NASA erste Überlegungen für einen Nachfolger. Die Ansprüche an ein »Next Generation Space Telescope (NGST)« sind jedoch — bei weniger Geld — sehr hoch. Aber die Ingenieure glauben, inzwischen ein realisierbares Konzept gefunden zu haben. Das Zentrum des NGST soll ein 8 Meter großer, ganz dünner und leichter Hauptspiegel sein, der aus mehreren Segmenten besteht und im optischen sowie im infraroten Spektrum besonders empfindlich ist. Zum Schutz gegen die infrarote Strahlung der Erde und das helle Sonnenlicht wird das Instrument von einem großen, im Orbit aufgeklappten Schutzschild abgeschirmt. Die Bordsysteme und die Lagekontrolle sollen mit neuester Mikrotechnik sehr klein gehalten werden.
 
Eine der wichtigsten Aufgaben des neuen Raumteleskops, das den Namen »Origins« (englisch für Ursprünge) tragen soll, wird die Suche nach Planeten bei anderen Fixsternen sein. Dieser Zweig der Astronomie wird immer interessanter, seit bei inzwischen 18 Fixsternen planetenähnliche Begleiter in verschiedenen Umlaufbahnen entdeckt worden sind. Ein anderes Ziel ist die Beobachtung junger Galaxien aus der Frühzeit des Universums, die gerade erst nach dem »Big Bang« entstanden sind. Auch Europa wird sich wieder an dem neuen Raumteleskop der Amerikaner beteiligen, diesmal aber nicht mit einem technischen System. Vielmehr will man das Projekt organisatorisch unterstützen und bei der Auswertung der umfangreichen Daten helfen.
 
Dipl.-Ing. Wolfgang Engelhardt
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
bemannte Raumfahrt: Neue Konzepte für ferne Ziele
 
 
Die Mars-Mission. Pathfinder, Sojourner und die Eroberung des roten Planeten, Beiträge von Holger Heuseler u. a. München u. a. 1998.
 Puttkamer, Jesco von: Jahrtausendprojekt Mars. Chance und Schicksal der Menschheit. Neuausgabe München 1997.
 Weiden, Silvia von der: Die Suche nach Leben im All. München 1998.
 
Weltraum aktuell. Neues aus Astronomie und Raumfahrt, Ausgabe 1997/98. Stuttgart 1997.

Universal-Lexikon. 2012.

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